Rezesion „Pommern – Zeitschrift für Kultur und Geschichte“ Heft 4/2024

Ines Kakoschke: Die Spur der Feuerkäfer, Roman, Stralsund — Edition Pommern 2024, 248 Seiten mit Illustrationen von Anett Simon, Broschur, 12,5 cm x 19 cm,
ISBN 978-3-939680-82-6, 15 €

Mit ihrem Roman „Die Spur der Feuerkäfer“ erzählt die in Lubmin lebende Autorin Ines Kakoschke eine pommersche Familien- und Dorfgeschichte. Sie spannt dabei einen weiten Bogen vom Ende des Zweiten Weltkrieges über die Zeit der DDR bis in die aktuelle Gegenwart.

Geschichtsinteressierten Lesern ist Ines Kakoschke vor allem durch ihre regionalgeschichtlichen Publikationen, weniger durch ihre Gedichte bekannt.

Ines Kakoschke hat mit ihrem Roman „Die Spur der Feuerkäfer“ die Tür zu einem vermeintlichen Hinterzimmer unserer Geschichte geöffnet und dabei gleichzeitig die Fenster der Gegenwart weit aufgestoßen. Es handelt sich um eine Erzählung, wie sie Tausende von Menschen so oder ähnlich erlebt haben und die doch außergewöhnlich ist. Dadurch kann der Leser in eine fremde Welt eintauchen und sich trotzdem sofort heimisch fühlen.

Die Spur der Feuerkäfer führt nach Kattenstieg, einem fiktiven Ort am Greifswalder Bodden. Hierhin hatte es die verstorbene Christel Camin als Flüchtlingskind im Winter 1945 verschlagen. Nun steht die Beerdigung an, nicht selten ein Zusammentreffen von Familien, die erst einen zwingenden Grund für ein Wiedersehen brauchen. Das ist, wie hier, häufig ein trauriger Anlass. Christel war Teil einer großen Gemeinschaft, und so kommen an diesem Tag nicht nur die Familie, sondern auch Nachbarn und alte Weggefährten zusammen, um sich zu verabschieden.

Yvonne, eine Nichte der Christel Camin, reist mit ihrem Mann Rüdiger an. Sie ist ebenfalls lange nicht mehr in Kattenstieg gewesen. Mitgebracht haben die beiden einen Strauß Blumen. „Aber ewig leuchten die Sterne“ steht auf einem der beiden seidig glänzenden Schleifenbänder — im Gegensatz „Zum stillen Gedenken“ oder „Als letzter Gruß“ vielleicht ein ungewöhnlicher Spruch. Aber im Leben Dinge anders zu machen, passt zu Yvonne und wundert ihren Mann nicht. Dass dieser „Sternenspruch“ für sie noch eine andere Bedeutung hat, zeigt der weitere Verlauf der Handlung.

In jedem Fall ist die Reise für Yvonne ein wenig wie „nach Hause kommen“. Die Fahrt nach Kattenstieg, der Ablauf der Trauerfeier, das anschließende gemeinsame Kaffeetrinken, dazu eine unerwartete Begegnung, das sind für sie eine Reihe unumgänglicher Herausforderungen. Einen trifft sie nicht, aber die Erinnerungen an diese Jugendfreundschaft brechen auf und werden sie den ganzen Tag nicht loslassen. Es ist selbstverständlich, dass der Blick zurück sie wieder unmittelbar in die Gegenwart bringt. Erinnerungen treiben sie durch eine Flut von Gefühlen und längst vergessen geglaubten Ereignissen.

Die nicht aufgeschriebenen Worte zwischen den Zeilen, die sich aus den Handlungen der verschiedenen Personen ergeben, liefern Spielraum zu angenehmer Kopfarbeit. So kann der Leser manche Geschichte „weiterdenken“. Was geht zum Beispiel in Rüdiger vor, wenn er beim Drapieren des Beerdigungsstraußes die Schleifen so legt, dass der Spruch nicht zu lesen ist?

Für mich nahm der Roman einen sehr ruhigen, manchmal angenehm melancholischen Verlauf. „Die Spur der Feuerkäfer“ führte auch mich ins Rad meiner Geschichte. Dabei wurden Erinnerungen wach, die ich längst verschüttet glaubte. Sie führten mich an Orte meiner Jugend und hatten ebenfalls etwas mit „wieder mal ankommen“ zu tun. Im Roman war sicherlich eine der bildhaftesten Beschreibungen der Besuch der Dorfgaststätte, natürlich am Wochenende mit Life-Musik und Tanz. Da konnte man noch die Gläser klingen hören. Auch die Melodie der teilweise verwendeten plattdeutschen Sprache trug die Geschichte wunderbar. Die Gespräche, Kommentare und stillen Monologe der alten Freunde und Weggefährten von Christel Camin waren herzerwärmend. „lk heff di ok giern hett, Christel, mien lütt Fründin. Weitst, woll noch, wieans wie tausämenholln hem? Dämals, as wi Kinner wiern? … Nu schläp man gaut.“ sind Worte und Gedanken, die Hubert Baatz durch den Sinn streifen, während er sich auf der Kirchenbank sitzend von der alten Freundin verabschiedet.

Die gehüteten Geheimnisse, die uns Leser nur in den Gedanken der Menschen begegnen, haben mich immer wieder einmal abschweifen lassen.

Und Eines darf ich natürlich nicht vergessen: An wen denkt Yvonne wieder und wieder? Natürlich an ihre Jugendliebe Philipp. Wir dürfen ein wenig Ohrenzeuge dieser sich findenden jungen Menschen und ihrer Liebe zueinander sein. Wie es endete, was so groß und hoffnungsvoll begann?

Sie müssen dieses spannende Stück Literatur lesen. Ich habe mit gefiebert, getragen hat mich dabei aber eine Ahnung, die ich aus eigenem Erleben zu gut kenne. Nur so viel, dass fast letzte Wort haben vielleicht die Nachbarn der Sterne, die Engel. Mich hat das sehr gefreut, da Engel zu meinen Vertrauten gehören.

Ich konnte mir nie vorstellen, Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen. „Die Spur der Feuerkäfer“ hat mir wieder verdeutlicht, wie sehr ich mich mit den Menschen und unserem Land verbunden fühle und so ende ich meine Ausführungen zum Buch mit der „Hornmage an die Beständigkeit“, einem Gedicht der Autorin Ines Kakoschke, dass sie ihrem Roman vorangestellt hat:

„Schreib deine Liebe in den Schnee / tief hinein – / greifen Kristalle / kalt deine Hand // Heiß wird das Leben pulsieren / später noch – / wenn Tau spinnwebenzart / sattgrünes Wachsen benetzt.“

Michael Schmal, Ueckermünde